Die Ereignisse vom letzten Wochenende in Warschau, bei denen ca. 50 Personen von der Polizei festgenommen wurden, erinnern an traurige Realität über die Anwendung der Untersuchungshaft in Polen.

Zwei Monate U-Haft für LGBT-Aktivistin

Die Festgenommenen protestierten gegen die Entscheidung des Amtsgerichts in Warschau über die Untersuchungshaft für die LGBT-Aktivistin mit dem Spitznamen Margot. Ein paar Wochen vorher nahm sie an dem Angriff auf einen Lieferwagen mit homophoben Sprüchen gegen die LGBT, die u.a. mit dem Kindermissbrauch assoziiert werden, teil. (solche Wagen sind in Polen in einigen Großstädten zu sehen).

Bei diesem Angriff ist es zu Rangeleien mit dem Fahrer sowie zur Fahrzeugbeschädigung gekommen, dabei nahm Margot aktiv teil. Das Ereignis wurde auf Monitoring- und Videoaufnahmen im Internet verewigt. Margot gab zu, an dem Angriff teilgenommen zu haben.

Die Staatsanwaltschaft warf Margot u.a. Körperverletzung des Lieferwagenfahrers vor und ordnete als Vorbeugungsmaßnahme die zweimonatige U-Haft an.

Die Gerichtsentscheidung, insbesondere deren Begründung, die darauf hinweist, dass die Beschuldigte die Ermittlungen behindern, sich verstecken bzw. eine ähnliche Straftat begehen wird, ist absurd, allein schon deswegen, dass es mehrere Aufnahmen von dem Angriff gibt. Für keinen, der die Realität der Anwendung von Vorbeugungsmaßnahmen im polnischen Strafrecht kennt, ist dies nicht überraschend.

Traurige Realität über die Anwendung der U-Haft in Polen

Es muss klar und deutlich gesagt werden: die Anwendung der U-Haft wird sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von den Gerichten, die diese blind bewilligen, missbraucht. Diese Vorbeugungsmaßnahme wird von der Staatsanwaltschaft vorgezogen unabhängig davon, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung der U-Haft erfüllt bzw. nicht erfüllt sind. Statistiken zeigen, dass solche Anträge der Staatsanwaltschaft beim Gericht zu 90% wirksam sind.

Dieses ernsthafte Problem über den Missbrauch der Anwendung von U-Haft in Polen haben mehrmals der Bürgerrechtssprecher sowie soziale Einrichtungen für die Qualitätsüberwachung des Rechts in Polen wie z.B. internationale Helsinki-Föderation für Menschenrechte, vorgebracht. Zudem wird Polen regelmäßig vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in mehreren Urteilen kritisiert, durch welche Entschädigungen für unbegründete Anwendung der U-haft gewährt werden.

Die Schlussfolgerungen der obigen Institutionen sind im Prinzip gleich:

  • die U-haft wird von der Staatsanwaltschaft und den Gerichten missbraucht, d. h. wird angewendet, wenn keine in der poln. StPO festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind,
  • diese Vorbeugungsmaßnahme wird übermäßig verlängert,
  • Anträge auf Anwendung und dann auf Verlängerung der U-Haft werden von den Gerichten flüchtig geprüft, ohne darauf einzugehen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen tatsächlich erfüllt wurden.

Der Bürgerrechtssprecher über die U-Haft in Polen

Diesbezüglich können Sie sich hier mit der Botschaft des Bürgerrechtssprechers in englischer Sprache bekannt machen [ Link ]

Die Voraussetzungen für die Anwendung der U-haft sind gemäß den Vorschriften der poln. StPO begründete Befürchtungen, dass der Beschuldigte die Ermittlungen behindern, sich verstecken oder die Flucht planen wird. In manchen Situationen kann die U-haft angeordnet werden, wenn dem Beschuldigten eine schwere Strafe droht bzw. im Ausnahmefall, wenn befürchtet wird, dass er erneut eine Straftat begeht. Zugleich fehlt in den Vorschriften der poln. StPO die Information über die Höchstgrenze für die Dauer der U-haft, was äußerst gefährlich für Personen ist, die von einer unbegründeten Anwendung dieser Vorbeugungsmaßnahme betroffen wurden.

Die Erfahrung zeigt, dass die Staatsanwaltschaft und die Gerichte die Voraussetzungen für die Anwendung der U-Haft nicht ernst nehmen und nicht darauf eingehen, ob es tatsächlich „begründete Befürchtungen” gibt, als würde man annehmen, dass jedem, für den sich die Staatsanwaltschaft „interessiert“, Betrug oder Flucht zugeschrieben werden kann. Es wird keine Rücksicht darauf genommen, dass diese Vorbeugungsmaßnahme lediglich in begründeten Fällen anzuwenden und dass diese äußerst schmerzhaft für die Festgenommenen und ihre Familien ist.

Vorschriften über U-Haft in poln. StPO seit 2012 verfassungswidrig

Zum Schluss ist es hinzuzufügen, dass zwei sehr wichtige Artikel der StPO, die die Anwendung von U-Haft regeln (u.a. keine Höchstgrenze für die Dauer der U-Haft) vom Verfassungsgericht noch im Jahre 2012 als verfassungswidrig anerkannt wurden. Weder früher noch jetzt hat der Gesetzgeber leider noch keine Zeit gefunden, um diese zu berichtigen.

Abgesehen von den rechtlichen Argumenten ist der Missbrauch der Anwendung von U-Haft eine Verletzung der grundsätzlichen Menschenrechte: Quälen der Menschen durch unnötige Gewalt – wie kann man es anders nennen, wenn jemand über Monate oder Jahre ohne Gerichtsurteil isoliert wird.

Der Rechtsstaat, der auf der Achtung von Menschenrechten beruht, kann stark und effizient sein beim Durchsetzen der Gerechtigkeit, ohne seine Berechtigungen zu missbrauchen, insbesondere das Monopol für die Anwendung von Gewalt.

Ein besonderer Fall dieser negativen Erscheinung ist die Anwendung von U-Haft bei Wirtschaftskriminalität, mit der ich mich in einem gesonderten Eintrag befassen werde.

Pawel Osiński

Rechtsanwalt für Wirtschaft- und Wirtschaftsstrafrecht