Fakten

In diesem Vorfall sind folgende Fakten bekannt (Wissensquellen: Medienberichten, Pressemitteilungen von IKEA und des entlassenen Mitarbeiters). Der Konzern IKEA, konkret die regionale Tochtergesellschaft des für den Verkauf von Möbeln (und köstlichen Hackbällchen)  weltbekannten Riesen veröffentlichte anlässlich des Tages gegen die Homophobie im betriebsinternen Netzwerk (intranet) eine Mitteilung, in der die Idee der Toleranz, des Respekts für das Fremde sowie der Einbeziehung von LGBT (inclusion of LGBT society) unterstützt werden.

In Antwort darauf hat einer der Mitarbeiter im Intranet folgende Mitteilung veröffentlicht: Wer Homosexualität und andere Deviationen akzeptiert, der stiftet Empörung. Die Bibel sagt: »Wehe dem, der die Verführungen verschuldet, es wäre besser für ihn, man würde ihn mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer werfen«. Sowie: «Und wenn ein Mann bei einem Mann liegt, wie man bei einer Frau liegt, so haben beide einen Gräuel verübt; sie sollen gewiss getötet werden, ihr Blut ist auf ihnen“

Nach Interventionen der IKEA-Mitarbeiter, schließlich dem Gespräch mit den vorgenannten Mitarbeiter, wurde sein Arbeitsverhältnis eben aufgrund dieses Vorfalls und der Verletzung der Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens am Arbeitsplatz (Art. 100 des polnischen Arbeitsgesetzbuches) aufgelöst.

Emotionen

Dieser Vorfall hat ein sehr großes Aufsehen in den Medien erregt, insbesondere in den Medien mit einer klaren Neigung für die rechte Seite der Politischer Szene, mit folgenden Schlagzeilen: „Ikea entlässt für Bibelzitate” oder „skandalöse Verletzung der Meinungsfreiheit bei IKEA”.  Seinen letzten Senf haben die jetzt regierenden Politiker der konservativen Partei sowie der Gewerkschaft NZSS Solidarność dazugegeben. Der Chef der Gewerkschaft Piotr Duda, der zum Schutz der Arbeitnehmerrechte (auch vor der Diskriminierung) benannt wurde, stellte fest, dass „die LGBT-Propaganda in die Betriebe hereinspaziert”, dass „dieses eine Diskriminierung sei und dass wir uns davor schützen müssen”. Der Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro hat den Vorfall als empörend bezeichnet und verordnet, diesen von der ihm unterliegenden Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die Verletzung des Strafrechts prüfen zu lassen. Er hat angedeutet (wahrscheinlich hat er die Ergebnisse dieser Prüfung vorgesehen), dass wir hier mit der Situation zu tun haben, wenn ein externer Konzern die polnische Rechtsordnung verletzt, indem er die Werte eingreift, die durch das polnische Recht geschützt werden sowie dass wir hier mit der Anwendung von rechtlicher und wirtschaftlicher Gewalt zu tun haben, gegenüber denen, die die Werte der homosexuellen Aktivisten nicht teilen. Sein Parteikollege, stellvertretender Justizminister Marcin Romanowski hat eine noch mehr entscheidende Stellung präsentiert, indem er die Entlassung des Mitarbeiters als Diskriminierung bezeichnete und meinte, dass dieser Vorfall die Meinungs- und Glaubensfreiheit verletzt. Er hat von IKEA gefordert, sich bei der polnischen Öffentlichkeit für ihre unzulässige Handlungen zu entschuldigen.

Vorschriften

Wir lassen aber für einen Augenblick die Fakten und Emotionen in Ruhe und schauen uns mal an, was die rechtlichen Vorschriften über sie Diskriminierung sagen. Ziehen wir mal einige von den Vorschriften, die für diesen Vorfall von Bedeutung sind, heran:

  • Diskriminierung, gemäß 183a. des polnischen Arbeitsgesetzbuches ist dadurch gekennzeichnet, dass die Arbeitnehmer gleich behandelt werden sollen hinsichtlich der Begründung und der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, der Arbeitsbedingungen, der Beförderung und des Zugangs zur Weiterbildung zwecks der Verbesserung der beruflichen Qualifikationen, insbesondere in Hinblick auf Geschlecht, Alter, Behinderung, Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugungen, gewerkschaftliche Zugehörigkeit, ethnische Herkunft, Konfession, geschlechtliche Ausrichtung sowie in Hinblick auf die Beschäftigung auf befristete oder unbefristete Zeit sowie in vollem oder nicht vollem Ausmaß der Arbeitszeit.
  • 94 Abs. 2b des polnischen Arbeitsgesetzbuches enthält die Vorschrift über die Pflicht des Arbeitgebers, der Diskriminierung in der Beschäftigung entgegenzuwirken, insbesondere in Hinblick auf Geschlecht, Alter, Behinderung, Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugungen, gewerkschaftliche Zugehörigkeit, ethnische Herkunft Konfession, geschlechtliche Ausrichtung sowie in Hinblick auf die Beschäftigung auf befristete oder unbefristete Zeit sowie in vollem oder nicht vollem Ausmaß der Arbeitszeit.
  • In seiner Berufung hat IKEA auf 100 § 2 Nr. 6 des polnischen Arbeitsgesetzbuches hingewiesen, der u.a. anordnet, dass der Arbeitnehmer im Betrieb die Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu beachten hat.
  • Nun sollte hier 53 der polnischen Verfassung zitiert werden, der einerseits das Prinzip der Meinungs- und Glaubensfreiheit sowie Verkündung dieser Ansichten einführt, andererseits im Punkt 5 dieses Artikels Grenzen dieser Freiheiten einführt und bestimmt, dass „die Freiheit, den Glauben (die Religion) zum Ausdruck zu bringen lediglich auf dem gesetzlichen Wege beschränkt werden kann und nur dann, wenn dies für den Schutz und die Sicherheit des Staates, der öffentlichen Ordnung, der Gesundheit, der Sittlichkeit oder Freiheit und Rechte anderer Personen nötig ist”. Demzufolge liegt die Grenze für die Verkündung der Meinungen genau da, wo die Würde anderer verletzt wird.

Die bisherige Rechtsprechung, die Auslegung dieser Vorschriften sowie die von Polen angenommenen internationalen Rechtsakte in diesem Bereich führen zu der Schlussfolgerung dass in dem Fall IKEA gemäß den Bestimmungen gehandelt hat, die aus den vorgenannten Vorschriften hervorgehen. IKEA hat aktiv gegen die Diskriminierung im Betrieb entgegengewirkt, zu dem sie die Vorschriften des polnischen Arbeitsgesetzbuches verpflichten.

Rechtliche Rahmen für unterschiedliche Meinungen am Arbeitsplatz

Daher wurde der Mitarbeiter nicht wegen seinen eigenen Überzeugungen entlassen, sondern wegen der Art und Weise, wie er sie geäußert hat, wodurch er bei anderen Mitarbeitern Einschüchterung und Verdammung für ihre geschlechtliche Ausrichtung verursacht hat, was als unvereinbar mit den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens betrachtet wird.

Es kann doch den Worten über „Abweichungen” und „Todesstrafe”, die über sie verhängt werden sollte und über Blut kein anderes Ziels und andere Funktion als die Verdammung ihrer sexuellen Präferenzen und Einschüchterung zugeschrieben werden.

Selbst wenn wir diesen Worten eine symbolische Bedeutung verleihen würden, trägt diese Botschaft eine brutale und eindeutige Symbolik. Die Tatsache, dass dieses Zitat aus der Bibel kommt, sollte hier rechtlich gesehen keine Rolle spielen. Das, was zählt, ist der Inhalt der Botschaft und wie diese nach objektivbaren Kriterien verstanden wird.

Wenn wir der Spur der Verteidiger der Argumentation folgen, dass der Mitarbeiter wegen neutraler Verkündung seiner Meinung entlassen wurde, sollten wir uns eine Situation vorstellen, dass im Namen der Meinungsfreiheit Mitarbeiter anderer Konfessionen oder Überzeugungen bunte Fragmente aus ihren heiligen Schriften oder Überlegungen der Weisen, die oft vor Jahrzehnten geschrieben wurden, untereinander austauschen würden. In diesen Zeiten galt Verbrennung oder Verfütterung an wilden Tieren als angenommene Diskussionsform mit dem Vertreter anderer Konfession. Dies ist aber nicht die Richtung, in die wir in einer offenen demokratischen Gesellschaft, beruht auf gegenseitigem Respekt, Achtung der Unterschiede und Respekt vor dem Recht, gehen möchten. Diese Frage, nach welchem Kriterien das Verhalten des Mitarbeiters bei der Verletzung der Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu bewerten ist, wurde bereits vom Obersten Gerichtshof mehrmals geprüft. In dem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 28. März 2017 (Aktenzeichen II PK 18/16) wird festgestellt, dass nicht die Erwägungsgründe des Mitarbeiters aber seine Handlungen und deren Folgen zu prüfen sind, falls dem Mitarbeiter vorgeworfen wird, die Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens verletzt zu haben. Nebenbei bemerkt, steht so eine radikale Einstellung des vorgenannten Mitarbeiters im Widerspruch mit dem Katechismus der Katholischen Kirche sowie deren Oberhaupts, dem Papst Franziskus.

Wie sollte eine echte Diskussion in einer demokratischen Gesellschaft aussehen?

Dieser Fall zeigt auch im Wesentlichen ein Unverständnis für die Prinzipien, die uns sagen, wie wir in der Gesellschaft, Streite oder Debatten über Meinungen zu führen haben. Die Streitgespräche sollten zweifellos in der demokratischen Gesellschaft stattfinden, weil so eine Debatte über Meinungen ein Kern der Gesellschaft ist, weil ansonsten eine demokratische Gesellschaft nicht funktionieren kann.

Zugleich jedoch, sollte die Debatte authentisch, lebendig und ausdrucksstark sein, aber in bestimmten Grenzen, d.h. mit Respekt vor dem Diskussionsteilnehmer. Bei einer solchen Debatte wird mit den Meinungen gekämpft und nicht mit denen, die sie verkünden.

Dieses Unverständnis für Streitprinzipien (oder vielleicht eine absichtlich eingesetzte eristische Maßnahme) können wir daran sehen, dass die Streitgegner wegen Zustimmung und Förderung von LGBT-Meinungen beschuldigt werden, wobei es sich um Personen handelt, die einfach dazu stehen und um ihre Rechte kämpfen. Wenn wir dies auf solche Art und Weise verstehen möchten, kann jeder, der irgendwelche Meinung verteidigt wegen „Ideologisierung” und „Förderung” seiner Meinung angeklagt werden. In einer demokratischen Gesellschaft kann man auf solche Art und Weise nicht diskutieren und auch nicht funktionieren. Das Ergebnis wird dieses sein, dass der wirkliche Dialog, der die Gesellschaft zusammenschweißt, einfach nicht da ist und das Vertrauen an das Recht verloren geht.

Rechtliche Folgen

Das Urteil überlassen wir dem Arbeitsgericht, das sich bestimmt mit dem Vorfall beschäftigen wird. Dieser Fall weist aber auf einige Trends im rechtlichen Umfeld hin, mit denen die Unternehmer in Polen rechnen sollten, insbesondere die, die  international tätig sind:

  • Starker konservativer Trend in der Gesetzgebung, in der Einstellung der Verwaltungsbehörden (u.a. in der Staatsanwaltschaft), der sich sicherlich auch in der Rechtsprechung zeigen wird. Es ist offensichtlich, dass die Regierungsvertreter in dieser Auseinandersetzung eine klare Einstellung haben, was den Arbeitgebern nicht leichter machen wird, Lösungen auszuarbeiten, die eine friedliche Arbeit am Arbeitsplatz sichern werden.
  • Viele, ähnliche Fälle der Diskriminierung bzw. der Meinungsfreiheit am Arbeitsplatz. Dieser Fall wird mit großer Sicherheit ein Impuls sein, der verursacht, dass es mehr solche Fälle geben wird. Ich bin überzeugt, dass die Arbeitgeber, vor allem die internationalen Arbeitgeber, die sich sozial engagieren und ihre Marke auf der Offenheit und Toleranz aufbauen (und so ist der verständliche Trend und die Strategie beim Aufbau der globalen Anwesenheit im Geschäft), mit zusätzlicher Arbeit für ihre PR-und Rechtsabteilungen rechnen müssen.

Meiner Meinung nach kehrt das Thema der Diskriminierung und deren Bekämpfung noch diesen Sommer und im Herbst zurück und nicht nur einmal trägt es zur Erhöhung der Temperatur im Inland bei.

Paweł Osiński

Rechtsanwalt